Definition Vollzeitpflege nach §33 SGB VIII
Hierzu lesen wir das Rechtsgutachten vom 11.10.2023 – SN_2023_0598 Bd vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJuF)
„Die Betreuung in einer Erziehungsstelle als Hilfe eigener Art (§§ 45a, 33, 34, 37a, 78a SGB VIII)“
Einrichtung oder Familienhaushalt?
Ist meine Familie und unser Haushalt somit eine Einrichtung oder doch nur ein Familienhaushalt?
Hierzu verweisen wir auf die Kurzinformation des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages:
„Regelungen zur Vollzeitpflege und zur Inobhutnahme“
Zur Kurzinformation (Bundestag)
Höhe der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege
Welche Höhe der Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege (Sachkostenpauschale) sind angemessen?
Empfehlungen des Deutschen Vereins (2024)
Leistungen zum Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen (§ 39 SGB VIII)
§ 39 Abs. 1 Satz 2: „Er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen.“
§ 39 Abs. 2 Satz 4: „Die laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege (§ 33) oder bei einer geeigneten Pflegeperson (§ 35a Abs. 2 Nr. 3) sind nach den Absätzen 4 bis 6 zu bemessen.“
§ 39 Abs. 4 Satz 1: „Die laufenden Leistungen sollen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen.“
Was bedeutet „sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen“?
Somit sollte man meinen: Mehr Aufwand für die Pflege und Erziehung des Kindes = höhere Pauschalbeträge?
Vollzeitpflege mit Rund-um-die-Uhr-Betreuung
Was, wenn die Vollzeitpflege eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung notwendig macht und die Pflegeeltern keine eigenen Einkommen mehr haben können?
Hier sollte man gegenüber den Jugendämtern klare Positionen darstellen. Wenn die Pflege und Erziehung von Pflegekindern die Pflegeperson daran hindert, den eigenen Lebensunterhalt zu sichern, sollte der Staat bzw. die Kommune eine Lohnausgleichsleistung erstatten.
Dies geschieht über eine Einzelvereinbarung nach § 78b Abs. 3 SGB VIII, da § 33 SGB VIII explizit von den Vereinbarungen nach § 78a SGB VIII ausgeschlossen ist.
Berechnung der Lohnausgleichsleistung
Es gibt keine feste Formel. Wenn die Pflege den „angemessenen Umfang“ übersteigt, muss eine Berechnungsgrundlage gefunden werden.
Bei nino-sozial berechnen wir es so: Jede berufstätige und arbeitsfähige volljährige Person hat in Deutschland Anspruch auf Mindest- oder Tariflohn. Die Arbeitszeit richtet sich nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG).
Wenn die Pflegezeit einen Teil der regulären Arbeitszeit beansprucht, sollte dieser Anteil als Ausgleich erstattet werden.
Nach dem Urteil Az.: 5 AZR 505/20 des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich eine neue Situation zur Definition von „angemessenem Umfang“:
Somit sollten die Beiträge für die Kosten der Pflege und Erziehung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) an den tatsächlichen Umständen bemessen werden – insbesondere bei Kindern mit Einschränkungen oder besonderen Entwicklungsbedarfen (§ 35a, § 33 SGB VIII).
Besteuerung von Geldleistungen
Pflegeeltern haben kein zu versteuerndes Einkommen aus diesen Leistungen.
Besteuerung von Geldleistungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe (Haufe)
Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
Versicherungs- und Beitragsrecht – Bundessozialgericht
Pflegeeltern zahlen ihre Krankenversicherungsbeiträge grundsätzlich selbst, sofern keine Familienversicherung besteht. Die Beitragshöhe richtet sich nach dem Urteil des Bundessozialgerichts in Verbindung mit dem Erziehungsbeitrag der Vollzeitpflege.
Für qualifizierte pädagogische Fachkräfte gilt nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Hier empfiehlt sich ein Antrag auf Prüfung bei der zuständigen Rentenversicherung.
Fazit
Die Vollzeitpflege von jungen Menschen mit Entwicklungsverzögerungen oder Einschränkungen erfordert eine intensive Rund-um-die-Uhr-Betreuung, die in institutionellen Kontexten kaum dieselbe Qualität erreichen kann wie in professionellen Pflegefamilien.
nino-sozial berücksichtigt diesen Umstand und kalkuliert Erziehungsbeiträge am realistischen Aufwand in Anlehnung an die TVöD-Tarife. Diese Kalkulation wird mit jedem Hilfeplan überprüft und angepasst – nach unten oder oben, je nach tatsächlichem Betreuungsaufwand.
Das Ziel der Vollzeitpflege ist nicht nur die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben, sondern auch der ethische und moralische Anspruch, jungen Menschen langfristig ein familiäres Zuhause zu bieten. Eine institutionelle Betreuung kann das nicht ersetzen und ist in der Regel kostenintensiver als eine professionelle Pflegefamilie.
